Das Interesse für fremde Kulturen liegt in der Familie. Schon Jael Filligers ältere Schwester kehrte einst begeistert von einem Praktikum im Ausland zurück – und inspirierte die Jüngere dazu, nach der Matura ebenfalls loszuziehen. Heute hat die angehende Psychologiestudentin bereits mehrere Einsätze in Südafrika geleistet.
Bevor die Reise losgehen konnte, absolvierte Jael Vorbereitungskurse ihrer Organisation, an denen erste Eindrücke und praktische Tipps vermittelt wurden. Speziell der «Weisse-Retter-Komplex» wurde thematisiert: Die problematische Vorstellung also, als «überlegene», weisse Person, den «armen» Menschen vor Ort zu «helfen». So sensibilisiert, trat die damals Achtzehnjährige ihre Reise Richtung Johannesburg, Südafrika an. In einem Ausbildungszentrum für junge Erwachsene packte sie mit an und erledigte gemeinsam mit Einheimischen Aufgaben, die dort anfielen. Einige Aufgaben, wie den Küchendienst, empfand sie als anstrengend. Andere hingegen machten ihr Spass. «Am liebsten habe ich die Wege «entlaubt».», lacht sie. «Da konnte ich auch mal nebenher einen Podcast hören.»
Gemeinschaft – Schönes und Schwieriges
Besonders genossen hat Jael die freien Zeiten, die sie mit ihren neuen Freunden verbringen konnte. Sei es auf Spaziergängen, abends am Feuer oder bei gemeinsamen Mahlzeiten. Das Leben in der engen Gemeinschaft war bereichernd, aber auch eine Herausforderung. Privatsphäre gab es kaum. Kein Wunder wurde hier und da gelästert und getuschelt. Oft befeuert durch Eifersucht, zum Beispiel auf Freundschaften. Aber auch, wenn etwas als ungewöhnlich empfunden wurde: «Zum Beispiel, wenn ich als weisse Frau mit einheimischen jungen Männern unterwegs war.» Doch Jael übte sich in Gelassenheit und empfand das Ausbildungszentrum und die Menschen dort zum Schluss schon fast wie ein Zuhause. Schmunzelnd meint sie: «Am Schluss hatte sogar jeder einen festen Platz am Esstisch. Wie zuhause in der Familie.»
Gegenseitiges Lernen
«Wenige Erwartungen und viel Offenheit», sei die Antwort auf die Frage, welche Haltung man mitbringen müsse, damit ein Einsatz zur guten Erfahrung werde. Äusserst bemüht, nicht als weisse, besserwisserische «Retterin» aufzutreten, konnte sie bei den Einheimischen auch ein Bewusstsein für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen wecken: «Ich habe erklärt, wie man Abfall richtig entsorgt und dass es schädlich ist, wenn das nicht sorgfältig gemacht wird. Mit der Zeit wurde es einigen im Zentrum zu einem grossen Anliegen. Inzwischen gehen sie einmal in der Woche in der Umgebung Abfall aufsammeln». Umgekehrt nimmt Jael mit, Dinge gelassener anzugehen, Menschen nicht aufgrund von Oberflächlichkeiten abzustempeln – und allgemein ein bisschen «gechillter» durchs Leben zu gehen.